2. Etappe, 14.9.2023: Eine landschaftlich sensationelle Bergstraße wartet heute gleich zu Beginn der Tour auf uns – eine kehrenreiche Auffahrt führt uns aus der Bucht von Kotor ins einsame montenegrinische Hinterland. Hier erleben wir einige Überraschungen, die nicht unbedingt notwendig gewesen wären. Verarbeitet wird das Erlebte in einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte am Balkan, dem Kloster Ostrog.
Auf einer der schönsten Bergstraßen
Nachdem es gestern mit uns bergab ging, geht es heute bergauf: Nämlich auf den Krstac mit seinen knapp 1.000 Metern. Hört sich anstrengend an, ist es normalerweise auch – außer man befindet sich in der Bucht von Kotor und darf als Radfahrer eine der genialsten Bergstraßen bergauf fahren, die es in Europa gibt.
Hoch sind hier nicht nur die Berge, die die Bucht von Kotor einrahmen, sondern auch so manch schwimmendes Schinakel, das hier praktisch am Straßenrand parkt. Um eine „Kurz“-Parkzone dürfte es sich dabei nicht handeln …
Wenige Meter später geht’s aber wie erwähnt bergauf. Dank der eher mäßigen Steigung können wir die herrlichen Ausblicke auch ausgiebig genießen. Und die sind in der Tat grandios! Man ist ja beinahe versucht, in fast jeder Kehre anzuhalten und zu fotografieren – um dann ein paar Kehren weiter oben festzustellen, dass mit jedem Höhenmeter auch die fantastischen Ausblicke immer mehr werden.
Auf abenteuerlichen Wegen nach Danilovgrad
Nach dieser herrlichen Bergfahrt kommen wir also am Krstac an und biegen ab. Eigentlich sollte ab hier eine ca. 30 Kilometer lange kurvige und schmale Nebenstraße durch viel Landschaft über Cevo nach Danilovgrad folgen. Zumindest bisher war das so, nicht jedoch im September 2023.
Wir biegen also ab und wühlen uns für die nächsten paar hundert Meter durch viel Staub und Schotter, von grob bis tief all inclusive. Dann hat die rustikale Baustelle ein Ende und wir finden uns auf einer überbreiten neuen Straße wieder. Feinster Asphalt, keine Bodenmarkierungen, keine Verkehrszeichen, kein Verkehr – aber auch keine Bauarbeiter, die uns wegschicken könnten. Und somit fahren wir weiter. In der Hoffnung, dass die neue, autobahnähnliche Straße bis nach Cevo führt und nicht abrupt im Niemandsland endet.
Hier kommen wir auch tatsächlich an. Mit einer gewissen Erleichterung biegen wir auf eine schmale Nebenstraße ab und durchfahren Cevo. Mehr als ein paar Häuser in renovierungsbedürftigem Zustand gibt’s hier nicht, dafür viel Gegend. Feinstes montenegrinischen Backcountry also.
Danach folgt das nächste straßenbautechnische Upgrade, nämlich wieder eine Baustelle. Die sollte uns aber etwas länger beschäftigen. So wurde die Trasse der ursprünglich sehr schmalen Straße bereits verbreitert, das abgetragene Material gleich als Fundament für die „neue“ Straße gewalzt. Ein neuer Asphalt ist aber auf den folgenden 15 Kilometern Fehlanzeige. Fahrspass? Ja, aber nur im Bereich homöopathischer Dosen.
Nach einer gefühlten Stunde erreichen wir Danilovgrad – ohne jeglichem Defekt, was eigentlich ein unglaubliches Glück ist. Weniger glücklich ist unsere anschließende Mittagspause: Diese dauert letztendlich – wegen einem etwas gröberen kollektiven Stromausfall – über zwei Stunden.
Auf Pilgerpfaden nach Ostrog
Gesegnet mit den Überraschungen der vergangenen drei, vier Stunden starten wir sodann in den letzten Abschnitt unserer Tagestour. Nämlich zum serbisch-orthodoxen Kloster Ostrog. Nicht um uns hier den Segen zu holen, sondern um vordergründig die einmalige Lage des Klosters zu bewundern. Die Anlage liegt auf einer Höhe von ca. 835 Metern und die Kirche selbst wurde in die senkrechten Abhänge des Prekornica-Gebirges gebaut.
Neben der außergewöhnlichen Lage der Klosterkirche sind für uns auch die tiefgläubigen Pilger bemerkenswert. Hier befindet sich nämlich die Ruhestätte des Heiligen Vasilije, der (so die Überlieferung) in den Tagen vor seinem Ableben zahlreiche Wunder vollbracht hatte, weshalb die Gläubigen ebenfalls um Linderung von allfälligen Leiden etc. bitten. Nicht zuletzt deshalb ist das Kloster Ostrog der wichtigste Wallfahrtsort für die Gläubigen der serbisch-orthodoxen Kirche. Also quasi das Mariazell von Montenegro.
Eine kleine Anekdote am Rande: Dass der Heilige Vasilije auch heutzutage „auf jeden Fall“ noch Wunder vollbringt, sollte uns am Abend auch der deutschsprachige Kellner in unserem Quartier bestätigen, der ein arbeitsloser Lehrer um die Dreißig ist. Also nicht unbedingt der typische tiefgläubige Pilgertyp, den man sich so erwarten würde.
Im September sind die Tage kürzer …
Wegen der überlangen Mittagspause in Danilovgrad halten wir uns im Areal des Klosters Ostrog nicht allzu lange auf, denn die Zeit drängt zum Aufbruch. Mit etwas zügigerem Tempo als sonst üblich absolvieren wir deshalb die letzten 25 Kilometer. Bei schon fortgeschrittener Dämmerung erreichen wir unser Quartier in der Braustadt Niksic.
Das Abendessen wird artig verspeist, Getränke bleiben sowieso nie übrig – somit sollte es morgen wieder sonniges Wetter geben. Das ist für den kommenden dritten Radtag auch wünschenswert, geht es doch morgen durch den Nationalpark Durmitor und auf den 1.908 Meter hohen Sedlopass. Wir sind bereit!