Eine Tour über den Waldviertler Granittrail hat etwas mit „Mountainbiken im Retro-Stil“ zu tun. Mit dem klassischen Geländeradfahren Ende der 1990er-Jahre. Als man etwa beim Wirt‘n seines Vertrauens angeregt und intensiv über den Sinn oder Unsinn von Federgabeln an Mountainbikes diskutierte.
Begriffe wie Bikepark oder Freeride waren in des Radlers Wortschatz noch nicht vorhanden und dass man sich gar mit Liftunterstützung auf einen Berg gondeln lässt, war völlig undenkbar. Die steirische Alpentour war damals voll im Trend. Ebenso wie der Waldviertler Granittrail. Klassisches Cross-Country-Biken (falls es diesen Begriff damals schon gab) mit Rucksack von A nach B, am nächsten Tag von B nach C usw. war angesagt. Ein gewisser George C. würde sagen: „Mountainbiken – what else?“
Dieses Flair der 1990er-Jahre lässt sich am Waldviertler Granittrail wunderbar „erfahren“, was aber alles andere als negativ gemeint ist. Entspanntes Radfahren auf einfachen Wegen von Gmünd an der tschechischen Grenze über Groß Gerungs, Bärnkopf bis nach Persenbeug an der Donau wartet auf den Tourenbiker. In Summe ergibt dies ungefähr 160 Kilometer und 3.000 Höhenmeter. Eine Hochgebirgskulisse darf man sich nicht erwarten. Es ist vielmehr der Reiz des Unspektakulären, der diese Tour zu etwas Besonderen macht. Wer sich auf die harmonische Landschaft des Waldviertels mit ihren tiefen Wäldern, Wackelsteinen und Teichen einlässt, wird zufrieden und – trotz rasanter Abfahrt vom letzten (Sulz-)Berg – „entschleunigt“ in Persenbeug ankommen. Frei von jeglicher Hektik oder Alltagsstress.
Jetzt zur Praxis: Zu diesem „Anti-Burn-out-Trip“ ins Waldviertel meldeten sich neun Radclub-Mitglieder. Die Anfahrt nach Gmünd erfolgte per Zug. Übernachtungen in Groß Gerungs und in Yspertal haben dazu beigetragen, dass die Tour keine Tortur wurde. Den „Transfer“ von Persenbeug, wo der Granittrail endet, ins Pielachtal zurück, absolvierten wir ebenfalls am Rad. Unser Organisator und Reiseleiter Gerhard Trimmel ließ sich dafür noch einige Umwege einfallen, dazu später mehr …
Auftaktetappe von Gmünd nach Groß Gerungs
Donnerstag, 17.6.2021: Nach unserer Ankunft am Bahnhof in Gmünd radelten wir zunächst zum denkmalgeschützten Stadtplatz. Denn ohne obligatorischem Startfoto gibt’s keinen Start der Tour …
Dann ging’s aber für uns wirklich los, wobei sich die ersten rund 15 Kilometer bis Weitra auch am Rennrad absolvieren lassen. Bis Weitra surrten nämlich die Stollenreifen über asphaltierte Nebenstraßen, der eigentliche Trail beginnt mit Blick auf das Renaissanceschloss Weitra kurz nach ebendieser Stadt. Bevor es also tatsächlich ins Gelände ging, legten wir noch eine Mittagspause im Gasthof Hentsch in Weitra ein, das wir von unserer Rennradtour „Waldviertel und Südböhmen“ von 2017 in bester Erinnerung hatten. Die Kombination aus vollem Rucksack am Buckel und einer Leere im Magen ist nämlich suboptimal.
Bestens gestärkt und (selbstverständlich) voll motiviert nahmen wir den folgenden Abschnitt des Granittrails bis Groß Gerungs in Angriff. Wie schon erwähnt, sind hier keine besonderen fahrtechnischen Fähigkeiten gefragt, sondern es ist vielmehr ein entspanntes Cruisen über Nebenstraßen, Schotter- und Waldwege. Stets sehr abwechslungsreich, also Hügel hinauf, Hügel hinab, links und rechts, einmal auf Asphalt, dann wieder auf Schotter …
Waldviertel-Idylle am Frauenwieserteich
Ein erstes Highlight des Trails folgte nach rund 30 Kilometern: Der wunderbare Frauenwieserteich. Ein herrlicher Badeteich, eingebettet in die sanft hügelige Landschaft des oberen Waldviertels. In Anbetracht der hohen Temperaturen von knapp 30° C war die Frage, ob wir hier nicht eine Getränkepause einlegen sollten, eher theoretischer Natur und wurde unverzüglich in die Tat umgesetzt …
Nach insgesamt 62 Kilometern erreichten wir unser Etappenziel Groß Gerungs. Wegen der relativ kurzen Wegstrecke für Tag 1, hatte unser Tour-Organisator für die „Vielfahrer“ noch eine Zusatzrunde über eine lokale Mountainbike-Strecke vorbereitet. Damit ja keine Langeweile aufkommt. Der schattige Gastgarten bei unserem Quartier war jedoch zu verlockend und die „Zusatzrunde“ wurde sodann in Getränkeform konsumiert.
Natur pur am Weg ins Yspertal
Freitag, 18.6.2021: Die Hochdruckwetterlage bescherte uns auch am zweiten Tag einen strahlend blauen Himmel und bereits am Morgen Temperaturen jenseits der 20° C. Am Tagesplan standen rund 75 Kilometer über Arbesbach, Altmelon und Bärnkopf bis zu unserem nächsten Quartier in Yspertal.
„Es grünt so grün“
… in des Waldviertels Wäldern. Klarerweise sind auch „unsere“ Wälder im Mostviertel grün, auffallend war jedoch während dieser Etappe die allgegenwärtige grüne und stark ausgeprägte Bodenvegetation in den Nadelwäldern. Die Grüntöne in allen denkbaren Variationen allein waren schon etwas Besonderes; hinzu kamen noch die für das Waldviertel typischen braungefärbten Bäche und Granitblöcke. Es war eine Wohltat, durch diese offenbar gesunden Wälder und durch die großartige Natur fahren zu können. Übrigens, wir haben es auch kurz andiskutiert: Die Braunfärbung der Bäche stammt vom hohen Huminsäuregehalt des Bodens.
Während der bisherigen eineinhalb Tage unserer Fahrt führte uns der Granittrail durch die vorwiegend hügelige Landschaft des oberen Waldviertels. Ab unserer Mittagspause in Altmelon wurde der Trail bis zum Weinsberger Wald um Bärnkopf etwas „gebirgiger“. So wurden die Hügel eher zu (niedrigen) Bergen bzw. wurden die Täler mit den erwähnten Bachläufen tiefer. Folglich forderten auch die Abfahrten einge fahrtechnische Fähigkeiten, aber alles in allen kein Problem. Die Federelemente unserer Bikes durften etwas mehr Arbeit verrichten, so soll es ja auch sein.
Über den Dürnbergteich erreichten wir sodann Bärnkopf und – nach einer zuvor längeren Fahrt durch die Tiefen des Weinsberger Waldes – somit wieder die Zivilisation. „Vorsorglich“ kehrten wir in einem Gasthaus ein, denn es machte sich bereits eine gewisse Trockenheit breit. Und dabei war nicht unbedingt jene in der Natur gemeint.
Danach radelten wir am Stifterteich vorbei nach Gutenbrunn und wenig später ging’s mit uns bergab: Aber nur am Rad, denn wir verließen die Höhen des Waldviertels und rauschten hinab ins Yspertal. Unser Etappenziel war der Landgasthof Peilsteinblick, wo wir kulinarisch bestens versorgt wurden und natürlich auch die Nacht verbrachten.
Schieben am Ostrong und schwitzen im Melktal
Samstag, 19.6.2021: Der letzte Tag begann mit einem wunderbaren Frühstück im Landgasthof Peilsteinblick und dann starteten wir zur letzten Etappe nach Kirchberg/Pielach.
„Wer sein Rad liebt, der schiebt“ auf den Ostrong!
Das erwähnte „all-inclusive-Frühstück“ war auch notwendig, denn der Anstieg auf den Ostrong war und ist herausfordernd. Wobei hier bewusst von „Anstieg“ die Rede ist und nicht von „Anfahrt“ oder „Auffahrt“, denn dieser Abschnitt des Granittrails enthält eine ca. 20-minütige Schiebepassage.
„Viele Biker lassen deshalb auch den letzten Teil des Trails am Ostrong aus und rauschen direkt nach Ybbs/Persenbeug hinunter“, so unser Tour-Guide. Danke für diese Info, die er uns aber erst oben am Ostrong beim Zusammenwarten mitteilte. Denn hier kam so mancher mit einem „nau servas“ oder Ähnlichem an. Hätten wir das schon beim Frühstück gewusst, dann … Aber egal, so haben wir eben auch den dichten Tann am Ostrong bewundert. Hat eh gepasst, ein bisserl plagen darf schon auch sein.
Man glaub es ja fast kaum – aber vom Ostrong bzw. vom Sulzberg geht es tatsächlich lange bergab. So erreichten wir nach einer teilweise rasanten Abfahrt über Stock und Stein das Kraftwerk Ybbs-Persenbeug und das Ende des Granittrails, was aber nicht das Ende unserer Tour bedeutete. Wir absolvierten nämlich auch die Transferstrecke ins heimatliche Pielachtal am Rad …
Hitzige Tour durchs Melktal
Der Granittrail war also beendet und jetzt wartete noch eine Überraschungstour durch das Melktal auf uns. Wobei die Erwartungen nicht gerade hoch waren, denn die Gegend zwischen Ybbs und Texing- bzw. Pielachtal ist ja nicht gerade als „Mountainbikers Paradise“ bekannt. Noch dazu meinte unser Organisator und Tourenguide tags zuvor, dass „wir einige interessante Wege im Melktal fahren werden, wo sonst fast keiner hinkommt“. Das konnte man so oder so auslegen …
Im Nachhinein betrachtet, war es aber tatsächlich eine ganz feine Strecke. So radelten wir zunächst über den Weinzierlberg (nein, muss man nicht kennen …) und durch das Krottenthal (nein, muss man auch nicht kennen …) in die Braustadt Wieselburg. Hier kannten wir uns wieder aus und deshalb verlegten wir zur Sicherheit die Mittagspause in den späten Vormittag. Wer weiß, was noch alles folgen sollte.
So gab es etwa einen (überraschenden) geschichtlichen Exkurs bei einem Soldatenfriedhof kurz nach Wieselburg: Im Gebiet von Wieselburg-Purgstall befand sich nämlich zwischen 1915 und 1918 das größte Kriegsgefangenenlager der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, wie unser Guide u. a. ausführte. Eine historisch wirklich interessante Stätte, mit der wohl keiner von uns gerechnet hatte.
Danach radelten wir über Nebenstraßen und Schotterwege Richtung Oberndorf/Melk. Dass es heute wieder besonders heiß war, das war ja nichts Neues. So wirklich zu spüren bekamen wir die Hitze jedoch nach Oberndorf an der Melk, wo wir einen eigentlich kurzen, aber etwas steileren Anstieg ohne jeglichen Schatten zu absolvieren hatten.
Gluthitze am Texinger Berg
Doch dieser kurze Uphill war aber nur ein Vorgeschmack, denn es folgte kurze Zeit später der Texinger Berg. Dieser Anstieg war dann wirklich zäh – zuerst Asphalt, später ein steiler Schotterweg. Zwar nur knapp 200 Höhenmeter, aber bei Temperaturen jenseits der 30° C und dabei ständig auf der „Sonnenseite“ unterwegs, wurde dieser „Schupfer“ zu einer echten Herausforderung.
Es folgte eine weitere Getränkepause bei einem Wirt’n in Texing und danach der finale Anstieg durch den Fischbachgraben auf’s Gsoll. Die letzte wohlverdiente Abfahrt führte uns über Schwerbach nach Kirchberg/Pielach und in den Gastgarten von Hubert Kalteis. Bei einigen (ebenso) wohlverdienten Regenerationsgetränken ließen wir die vergangen drei Tag Revue passieren. Einstimmiges Urteil: großartig war’s!