Radfahrer während der Abfahrt vom Semolj-Pass.

Montenegro: Bergankunft im Komovi-Gebirge

5. Etappe, 17.9.2023: Zweimal geht’s heute ordentlich bergauf, aber nur einmal bergab. Von den Bergen des Durmitors radeln wir in den Osten Montenegros, wo unser Tagesziel auf rund 1.700 Metern Höhe inmitten des Komovi-Gebirges liegt.


Eine einzigartige Landschaft …

Nach zwei Nächten in unseren komfortablen Holzhütten in Žabljak verlassen wir heute den Nationalpark Durmitor. Unser Hüttenvermieter ist offenbar von uns netten Burschen (was sonst?) derart angetan, weshalb ein gemeinsames Abschiedsbild unumgänglich ist …

Zu Beginn der heutigen Tour erleben wir nochmals die beeindruckende steppenartige Landschaft des Durmitors. Die letzten tiefhängenden Wolken, die die Berggipfel einhüllen, ergeben ein beinahe mystisches Landschaftsbild:

Farbenwechsel

Mit den verschiedenen Braun- bis Gelbtönen der weiten Grasflächen ist es mit der Abfahrt in das Tal der Tušinja schlagartig vorbei. Laubwälder und saftig grüne Wiesen regieren hier. Speziell am folgenden 1.540 Meter hohen Semolj-Übergang sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Die landschaftlich eindeutig schönere Seite des Semoljs erleben wir während der 25 Kilometer langen Abfahrt in das Morača-Tal. Die grüne Vegetation, die sich darüber aufbauende schroffe Bergwelt und vor allem die Abgeschiedenheit dieses Tals sind beeindruckend. Und wenn’s bergab geht, kommt sowieso (noch mehr) Freude auf.

Kulinarische Krisenbewältigung

Auf knapp unterhalb 500 Metern Höhe endet die herrliche Abfahrt vom Semolj-Pass. Nach den nahezu verkehrsfreien letzten zwei Radtagen im Durmitor-Nationalpark hat uns hier die Realität wieder eingeholt. Die E65 ist nämlich die Hauptverkehrsverbindung von Podgorica nach Serbien und andersrum. Somit viel Verkehr, auch von der schweren Sorte. Die folgenden 17,5 Kilometer bis Kolašin wären ja einigermaßen schnell zu erledigen, wenn da nicht 500 Höhenmeter inkludiert wären. Also eine etwas mühsame Angelegenheit.

Als wir endlich Kolašin erreichen, steigt die allgemeine Stimmung wieder schlagartig an. Für eine kleine Stärkung halten wir „kurz“ (so der Plan) bei einer kleinen Bäckerei oder etwas Ähnlichem. Jedenfalls fallen die Bruschettas („die sind eh ganz klein“) wider Erwarten sehr groß aus, das Mehlspeisen- und Schokopralinenangebot ist zu verlockend, Kaffee gibt’s sowieso und die diversen Eissorten sehen nicht nur optisch sehr gut aus. Eine Speise-Greißlerei allererster Güte!

Grandioses Komovi-Gebirge

Wohl genährt, starten wir so in den letzten Abschnitt der heutigen Tour. Vom auf 1.016 Meter hoch gelegenen Kolašin fahren wir auf den Trešnjevik-Pass auf 1.570 Metern Höhe. Der Anstieg selbst verläuft großteils im Wald, jedoch sorgt der teilweise schadhafte Asphalt (bzw. was davon noch vorhanden ist) dafür, dass keine Langeweile aufkommen mag.

Besser wird’s ab der Passhöhe, denn von dieser biegen wir für weitere 100 Höhenmeter auf eine fein asphaltierte Sackstraße ab. Unser heutiges Quartier sind nämlich die Berghütten des Etno Selo Stavna inmitten der Berge des Komovi-Gebirges. Als wir oben (und nun auch oberhalb der Baumgrenze) ankommen, können wir bei der mittlerweile tiefstehenden Sonne die herrliche Bergwelt des Komovi genießen:

„Local food for 14 persons“

Das war im Wesentlichen der Inhalt eines rund vier Wochen davor geführten Telefonates unseres Reiseorganisators mit Branko. Der Herr Branko ist nämlich hier der Häuptling über die Hütten (bei uns im deutschsprachigen Raum würde man „Manager“ sagen) und eine warme Mahlzeit sei hier in seiner „Konoba available“. (Eine Konoba ist am Balkan ein eher einfaches Restaurant mit landestypischer Küche; bei uns in NÖ wäre das wohl ein „Wirtshauskultur“-Betrieb.) Und deshalb hat unser (Reise-)Manager mit dem hiesigen Manager local food for 14 persons vereinbart. So die Vorgeschichte …

Was Branko unter „local food for 14 persons“ versteht, dürfen wir am Abend in seiner Konoba genießen. Ein schmackhaftes, umfangreiches Abendessen von Suppe über Hauptspeise mit Salat und zwei Nachspeisen (zuerst das köstliche Baklava und dann Sliwowitz). Brankos verschiedene Sorten an „local beer“ verkosten wir natürlich auch ausführlich. Diesen Radtag mit einem Kaloriendefizit zu beschließen, ist unmöglich, was aber auch nicht zwingend Ziel der Reise war. Wir haben jedenfalls die „local economy“, also die lokale Wirtschaft gefördert und lustig war der Hüttenabend sowieso.

Es war wieder ein großartiger Tag am Rad, der in der Bergwelt des Komovi-Gebirges ein wunderbares Ende nimmt. Morgen geht’s nach Albanien, die Vorbereitung auf die anstehende Etappe war ob der vergangenen Stunden vermutlich nicht ganz optimal, aber das werden wir morgen sehen. Oder ist’s gar schon „heute“? Egal, wir werden jedenfalls startklar sein. Gute Nacht!